Raumakustik
Räume werden von Grenzflächen umschlossen, die Schall, der sich ansonsten in alle Richtungen von der Quelle weg ausbreiten würde, teilweise reflektieren und so die Schallwellen zurück in den Raum werfen. Mehr der abgestrahlten Leistung bleibt zwischen diesen Grenzflächen erhalten (Fasold/Veres 2003, S.65). Die einfache Situation einer kugelförmig abstrahlenden Quelle und eines Empfängers in einem leeren, quaderförmigen Raum lässt sich dabei zeitlich etwa so beschreiben:
Die Quelle erzeugt einen Wechselschalldruck, der sich fortan als Schallwelle mehr oder weniger kugelförmig ausbreitet. Sobald diese Welle in irgendeiner Richtung auf eine Wand stößt, wird sie reflektiert. Dabei wird der Schalldruck der reflektierten Welle durch die teilweise Absorption an der Wand geringer sein als jener der auftreffenden Welle gewesen ist (Müller/Möser 2004, S.248). Irgendwann trifft die erste Wellenfront auf den Empfänger. Der direkte Weg zu diesem ist immer der kürzeste, oder anders formuliert, der Direktschall kommt zuerst beim Empfänger an. Währenddessen bewegt sich die Welle überall weiter. Die Druckwellen, die als nächstes beim Empfänger ankommen, haben schon eine Reflexion an einer Begrenzungsfläche hinter sich. Man nennt sie „erste Reflexionen“. Im konkreten Fall eines einfachen, leeren Rechteckraumes sind es zum Beispiel 6 Wellenfronten, die nach genau einer Reflexion (an je einer der 6 Begrenzungsflächen) beim Empfänger ankommen. Sie werden dabei aus unterschiedlichen Richtungen kommen und je nach Lage der Quelle und des Empfängers auch zu unterschiedlichen Zeiten. (Friesecke 2007, S.43)
Lässt man die Wellennatur des Schalls erst einmal außer Acht und betrachtet die Schallwelle als eine Vielzahl von Schallstrahlen, die von der Quelle in alle möglichen Richtungen ausgehen (geometrische Akustik), dann wird an den Wänden jeder Strahl nach dem Gesetz Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel reflektiert wie ein Laserstrahl durch einen Spiegel. Man kann nun jede der 6 ersten Reflexionen als einen solchen Schallstrahl betrachten, der von einer sogenannten Spiegelschallquelle abgestrahlt wird. Diese „virtuellen“ Schallquellen befinden sich sozusagen auf der anderen Seite der Begrenzungsflächen in einer Spiegelung des Raumes und senden zum gleichen Zeitpunkt wie die eigentliche Schallquelle dasselbe Signal.
Durch den längeren Weg, den diese Schallstrahlen zum Empfänger im Originalraum zurücklegen müssen, kommen sie aber später bei diesem an. Im Spiegelschallquellenmodell ist der eigentliche Raum also von einer Hülle von Spiegelräumen umgeben. Um diese Hülle ist wieder eine Hülle mit noch mehr Räumen und so weiter. Mit jeder Ebene, die wir nach außen wandern, nimmt die Zahl der hinzukommenden virtuellen Räume (und somit auch Quellen) zu. Mit der Zeit kommen somit auch immer mehr Schallstrahlen gleichzeitig beim Empfänger an. Das empfangene Signal wird immer dichter (Görne 2006, S.79).
Wie oben erwähnt, wird in diesem anschaulichen Modell aber eine grundlegende Eigenschaft von Schall der Einfachheit halber außer Acht gelassen: die Wellennatur. Im Kapitel Mechanische Schwingungen wurde bei der Erläuterung zum Begriff „Phase“ gezeigt, dass sich zwei Sinusschwingungen gleicher Frequenz zu einer neuen Schwingung überlagern können. Man nennt das in der Physik auch Superposition (Görne 2006, S.41). Abhängig von ihrer Phasenlage zueinander, resultiert daraus eine neue Sinusschwingung unterschiedlicher Amplitude. Man kann beliebige Schwingungen überlagern, um solche Interferenzeffekte zu bekommen. Voraussetzung ist die sogenannte Kohärenz der Signale. Kohärent sind Wellen, deren Phasendifferenz an einem bestimmten Ort konstant bleibt oder sich gesetzmäßig verändert (Kohärenz: Artikel in: Das Bertelsmann Lexikon 1995). Plump gesagt ist Kohärenz in etwa das Gegenteil von dem, was man in der Raumakustik erreichen möchte.